Am Dienstag beginnt in Hamburg ein Prozess um die Besitzrechte an einem Oldtimer. Der Mercedes 500 K Roadster galt lange als verschollen.

Es ist einer der weltweit spektakulärsten Prozesse, die es jemals um ein Fahrzeug gegeben hat. Kein Wunder, dass Oldtimer-Liebhaber rund um den Globus am kommenden Dienstag auf Hamburg blicken.

Und nicht wenige von ihnen würden gerne live dabei sein, wenn es vor dem Oberlandesgericht zum Showdown kommt. So interessant ist die 68 Jahre währende Odyssee eines Mercedes-Klassikers, die in den Kriegsjahren ihren Anfang nahm und jetzt voraussichtlich ein Ende finden wird. Der Streitwert in Höhe von 4,9 Millionen Euro sagt einiges über die Rarität aus.

Selbst Zeitzeugen aus den USA haben sich zu Wort gemeldet, die allesamt älter sind als das begehrte Cabriolet, um das am 29. Januar in einem einstweiligen Verfügungsverfahren in letzter Instanz gestritten wird. Gegenüber stehen sich in Hamburg Familienmitglieder der ältesten deutschen Unternehmerdynastie und der letzte Besitzer des Oldtimers, ein Multimillionär aus den Niederlanden.

In der Hauptrolle aber glänzt ein Mercedes 500 Kompressor Spezial Roadster, Baujahr 1935, damaliger Preis 15.000 Reichsmark (nach heutigen Verhältnissen etwa 100.000 Euro). Verloren in den Kriegswirren und ursprünglich in Grünmetallic lackiert, wurde das Auto in den USA restauriert und in leuchtend Rot umgespritzt. Ausgestattet mit einem Acht-Zylinder-Motor, erreicht das Cabriolet dank 160 PS ein Spitzentempo von 160 km/h.

Die Route, die das Traumauto mit der Karosserienummer 201999 zwischen 1945 und heute zurückgelegt hat, ist mysteriös. Gekauft wurde es 1935 vom Stolberger Unternehmer Hans Friedrich Prym - seine Vorfahren haben unter anderem den Druckknopf erfunden. Bis 1945 hatte sich der Mercedes im Besitz der Familie befunden. Er diente als Firmenwagen, bevor ihn der Hausherr in der Spätphase des Zweiten Weltkriegs vor den Nazis versteckte. Bewunderer des Luxusfahrzeugs gab es viele, zu ihnen zählte auch US-Präsident Eisenhower, der sich nicht ohne Grund in Stolberg aufhielt. Denn von Herbst 1944 bis Sommer 1945 wurde der Familiensitz von den US-Truppen als Stützpunkt benutzt.

Prym, der nie der NSDAP beigetreten war, aber in dessen Fabriken Kriegsmaterialien hergestellt worden sein sollen, befand sich zeitweilig in Haft. Nach seiner Freilassung und dem Abzug der US-Truppen war der 500 K Roadster spurlos verschwunden. Jahrzehnte blieb das Fahrzeug für die Pryms verschollen. Bis es im September 2011 auf einer Auktion im kalifornischen Monterey versteigert werden sollte. Auf diese war der Rechtsanwalt Alexander Martius von der Aachener Kanzlei Stein & Partner, der den Enkel des Erstbesitzers, Michael Prym, vertritt, übers Internet gestoßen. Sofort reklamierte der Anwalt beim zuständigen Unternehmen Auctions RM den Besitzanspruch der Erbengemeinschaft. Vergebens. Der niederländische Oldtimer-Sammler Frans van Haren ersteigerte die Rarität für 3,8 Millionen Dollar.

Was die Prym-Erben offenbar nicht wussten: In den USA war der Mercedes 500 K Roadster bereits Mitte der 70er-Jahre in der Sammlung von Russell Strauch aufgetaucht. Es folgten mehrere Besitzer. Zur Auktion brachte ihn General William Lyon, der das Auto 1988 erworben hatte.

Nur wenige Monate im Besitz des Luxuswagens, präsentierte van Haren den 500 K im April vergangenen Jahres auf der Oldtimer-Show Techno Classica in Essen und ließ ihn dort über den Hamburger Raritätenhändler Eberhard Thiesen für satte 4,9 Millionen Euro zum Verkauf anbieten - weswegen der Prozess auch vor einem Gericht der Hansestadt geführt wird. Kein schlechter Deal. Eigentlich. Denn zur Veräußerung kam es nicht. Martius hatte davon Wind bekommen, schaltete das Amtsgericht Essen ein und erwirkte eine einstweilige Verfügung. Noch auf der Automesse beschlagnahmte der Gerichtsvollzieher den Mercedes. Seitdem steht er in einer Hochsicherheitsgarage in Düsseldorf.

Auch wenn das Landgericht Hamburg in erster Instanz den Besitzanspruch der Prym-Erben bestätigt hat, gestaltet sich die Eigentumsfrage schwierig. Van Harens Anwalt, der Hamburger Wolfgang Vehlow, ist zuversichtlich: "Wenn das Fahrzeug von den Amerikanern beschlagnahmt worden ist, sind die deutschen Gerichte dafür nicht zuständig. 1952 wurde mit der BRD und den drei westlichen Alliierten ein sogenannter Überleitungsvertrag geschlossen. Er regelt, dass alle Güter, die die Amis mitgehen ließen, in den USA bleiben und die Eigentümer sie nicht zurückerhalten."

Um Licht in das Dunkel zu bringen, reiste im August vergangenen Jahres Vehlow-Freund Reiner Thiessen, Oberstleutnant bei der Deutschen Luftwaffe, nach Milwaukee in die USA zu einem Veteranentreffen der 3. Panzerdivision Spearhead. Jener Einheit, die unter dem berühmten General Patton im Herbst 1944 Stolberg erreichte. Dort traf er die Zeitzeugen Walter Stitt, Ken Armstrong und Fred Harmann, alle 88 Jahre alt. In einer eidesstattlichen Erklärung, die dem Abendblatt vorliegt, schreibt Thiessen: "Alle drei Zeitzeugen haben das Fahrzeug weder gesehen noch durch ihre Kameraden vor Ort oder auch später davon gehört. Sie waren entsetzt zu erfahren, dass Angehörige der US Army, die sich zu der Zeit in Stolberg aufgehalten haben, des Diebstahls bezichtigt werden."

Auf Unverständnis stieß bei den Teilnehmern des Veteranentreffens, dass weder der damalige Wagenmeister noch dessen damals 17 Jahre alte Tochter, die seinerzeit mit einem Soldaten der US-Streitkräfte zusammen war, der Familie Prym den angeblichen Diebstahl durch die Amerikaner gemeldet hatten.

"Die Weichen werden vor dem Gericht bei der Auslegung von gestohlen oder beschlagnahmt gestellt", sagt Jurist Vehlow. "Die Gegenseite muss beweisen, dass der Wagen gestohlen worden ist, aber das kann sie nicht." Der Anwalt von Michael Prym wollte sich auf Anfrage des Hamburger Abendblatts nicht zu dem Fall äußern, in dem es um mehr als nur Geld geht. So könnte als Folge die Provenienzforschung auch auf andere Automobile des Hochpreissegments ausgedehnt werden. Denn es gibt noch einige klassische Fahrzeuge auf dem internationalen Luxusmarkt, deren Erstbesitzer zum Beispiel geflohene oder deportierte Juden waren. Diese Autos wurden bisher trotz unklarer Provenienzen zwischen 1933 und 1945 oft weiterverkauft.